Wenig Wahl, viel Kampf und Hass

Ein Streifzug durch die USA in den Wochen vor der Präsidentschaftswahl

Die bevorstehende US-Präsidentenwahl polarisiert weltweit wie wohl keine zuvor. Was denken amerikanische Bürger über diesen Urnengang? Vom besorgten Pastor, der in Donald Trump einen gefährlichen Rassisten sieht, bis zur jungen Latina, die in einer linken Studentenstadt für dessen Sieg kämpft – Eindrücke von einem einmonatigen Streifzug von der Ost- zur Westküste.

Washington, DC

Herbstzeit ist Kurzurlaubszeit für Lamar (Name geändert), 43 Jahre alt, und seine fünfköpfige Familie. Beim Ausflug in die Hauptstadt wollten sie eigentlich das neue Museum der afroamerikanischen Geschichte und Kultur Amerikas besuchen. Doch die Schlange vor der Sehenswürdigkeit ist ewig lang, sodass der Pastor einer Baptistenkirche in Tennessee stattdessen im Museum der indianischen Kultur gelandet ist. Das passt gut, denn als Schwarzer interessiert sich Lamar für die Situation von Minderheiten. Schnell kommt man mit ihm ins Gespräch über die schwierige Lage vieler Afroamerikaner. Lamar stammt selbst aus einem sozialen Brennpunkt, er hat den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft. Wenig Wahl, viel Kampf und Hass weiterlesen

„Die Mariensäule ist mein Leben“

Für 150 Jahre altes Denkmal seilt sich Michael Blum 35 Meter ab

In: Paulinus, katholisch.de u.a., 8. Oktober 2016

Seit 150 Jahren thront die Mariensäule über den Dächern von Trier. Für Michael Blum gehört das Wahrzeichen zur Familie: Wie schon sein Großvater reinigt er es ehrenamtlich – und seilt sich dafür bis zu 35 Meter ab.

Endlich geschafft! Eine Schulklasse auf Wandertour macht es sich am Fuß der Trierer Mariensäule gemütlich. Dort oben, auf den Stufen des Denkmalsockels in 180 Metern Höhe über dem Moseltal, genießen die Jugendlichen den Blick auf die Römerstadt. Bei dem herrlichen Panorama fällt es kaum auf, dass viele der mitgebrachten Tüten und Verpackungen auf dem Boden landen, wo sie sich mit den vorhandenen Scherben von Bierflaschen vermischen. „Die Mariensäule ist mein Leben“ weiterlesen

„Ich setze meine Kinder nicht in so ein Boot“

Wie syrische Flüchtlinge in der türkischen Grenzregion leben

In: Luxemburger Wort, 16. Januar 2016
Text und Fotos: © Michael Merten

In der Region um Antakya, der arabischsten Stadt der Türkei, leben seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland viele syrische Flüchtlinge – in höchst unterschiedlichen Situationen: Einige sind vergleichsweise gut integriert, andere leben in Armut. Ein Lagebericht aus dem Grenzgebiet zu Syrien.

Mit einem schüchternen, doch freundlichen Lächeln serviert Reem dem Reporter einen türkischen Kaffee und ein Wasser. Lange hat die 23-Jährige keine Gäste mehr bewirtet – seit sie vor drei Jahren mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern aus Syrien geflohen ist. Jetzt wohnt sie in Apaydin, einem kleinen türkischen Dorf nur wenige Kilometer von der Grenze zum Kriegsgebiet entfernt. „Das ist schon das neunte Haus, in dem wir Untermieter sind“, berichtet sie. Ihr Mann kommt täglich raus, er hat Gelegenheitsjobs als Maler; für Reem gibt es nur die bescheidene Wohnung und ihre Kinder. Bis auf den monatlichen Besuch bei ihrem Bruder, der im gleichen Dorf wohnt, hat sie kein Sozialleben. „Ich setze meine Kinder nicht in so ein Boot“ weiterlesen

Der Beulendoktor

Portrait des früheren Luxemburger Generalvikars Erny Gillen

In: Christ & Welt in der ZEIT, 17. Dezember 2015

Vor einem Jahr zählte Papst Franziskus die Kurierkrankheiten auf, aber niemand ging zum Arzt. Niemand? Doch – der frühere luxemburgische Generalvikar Erny Gillen. Was veranlasste den Kirchenmann im kleinen, aber reichen Bankenstaat, sich von seinen Spitzenposten zu verabschieden und ein Buch mit radikalen Therapien für die Kurie zu schreiben?

Das Portrait unter:
http://www.christundwelt.de/themen/detail/artikel/der-beulendoktor/

„Wir wollen unsere jahrtausendealte Kultur bewahren“

21 christliche IS-Geiseln haben im Saarland Schutz gefunden

In: Katholisch.de, 12.10.2015

Als Charlie Kanoun erfuhr, dass die Terrormiliz IS 21 assyrische Geiseln freigelassen hatte, zögerte er nicht lange, sondern setzte alles daran, seinen Landsleuten Schutz in Saarlouis zu ermöglichen. 

Auf einem Sessel im zweiten Stock einer Hinterhaus-Wohnung in der Altstadt von Saarlouis hat es sich Marza Merza bequem gemacht. Er ist 91 Jahre alt und achtet auf sein Auftreten; zwar trägt er einen Dreitagebart, doch seine Kleidung mit Baskenmütze, schwarzem Mantel und dunklem Pullover ist gepflegt. Er ist froh, dass nicht nur er, sondern weitere 20 Verwandte und Bekannte nun im Saarland sind. In Sicherheit – nachdem er Gefangener der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) war.

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Nach Aylan – eine Betrachtung

In: IFP Voloblog, 05. September 2015

Zweifel. Wut. Zerrissenheit. Frust. Das sind Emotionen, die viele Menschen in diesen Tagen durchleben, wenn sie die erschütternden Nachrichten, Bilder und Schicksale von Flüchtlingen in Not wahrnehmen. Auch uns Journalisten beschäftigt das. In unserer täglichen Arbeit haben wir direkt mit Flüchtlingen zu tun.

Emotional zu sein, ist sicher kein guter Zustand für einen Journalisten, um zu schreiben.  Dennoch bin ich aufgewühlt, während ich diese Zeilen tippe. Warum ich nicht warte, bis ich mich beruhigt habe? Weil es verlogen wäre, so zu tun, als ob Zweifel, Wut, Zerrissenheit und Frust nicht zu unserem Berufsbild gehörten. Nach Aylan – eine Betrachtung weiterlesen

Auf den Spuren der Wüstenväter

Im Brandenburgischen Lindow knüpft Eremit Jürgen Knobel an eine alte Tradition an

In: Gesichter und Geschichten Band 2, Juli 2015

Im Juli ist der Portraitband „Gesichter und Geschichten Band 2“ im Erzbistum Berlin erschienen. Darin ist auch mein Portrait des Lindower Eremiten Jürgen Knobel erschienen. Eine Leseprobe.

Die kleine Glocke ist ein Vermittler. Keine elektrische Türklingel, sondern das einfache Bronzeglöckchen am Holzzaun trennt die Außenwelt von der stillen Welt der Klause. Nach einer kurzen Zeit des Wartens öffnet sich die Tür, und Jürgen Knobel empfängt den Besucher an dieser symbolischen Schranke.

Der schlanke Mann mit Bartansatz trägt ein helles Gewand aus grobem Leinenstoff. Im beschaulichen Lindow, einem idyllischen Ort im Ruppiner Seenland, bittet er zu einem Gespräch bei Tee und Gebäck. Ein Einsiedler im katholischen Küsterhäuschen des Dorfes, damit hatten die Gläubigen, die mit ihrer Kirche schon längst abgeschlossen hatten, nicht gerechnet. Auf den Spuren der Wüstenväter weiterlesen

Lehren aus Luxemburg

Kirche in Luxemburg muss nach Abkommen zur Trennung von Glaubensgemeinschaften und Staat umdenken

In: Saarbrücker Zeitung, 28. Juli 2015

Mit der Trennung von Kirche und Staat hat das kleine Großherzogtum Luxemburg im Januar große Schlagzeilen gemacht. Für Außenstehende war es bislang nicht leicht, das monatelange Ringen zwischen der offensiven linksliberalen Regierung und dem Erzbistum nachzuvollziehen. Jetzt hat der ehemalige bischöfliche Generalvikar Erny Gillen einen detailkundigen Zwischenbericht vorgelegt.

Gillen war einer der Protagonisten auf kirchlicher Seite. Der frühere Professor für Theologische Ethik und Vorsitzende von Caritas Europa war seit 2011 Generalvikar. In dieser Funktion bekam er die zunehmenden Risse im alten System des Staatskatholizismus mit. Ein System, das 200 Jahre überdauert hatte: „Seit der napoleonischen Epoche stand die Zeit in Sachen Religion und Staat im Großherzogtum lange still“, schreibt Gillen in dem 68-seitigen Bericht. Lehren aus Luxemburg weiterlesen

Der Wahlkämpfer

Portrait des konservativen amerikanischen Kardinals Raymond Burke

In: Christ & Welt in der ZEIT, Ausgabe 13/2015, 26. März 2015

Der amerikanische Kardinal Raymond Burke hält nichts von Reformen in der Kirche. Vor der Bischofssynode zu Ehe und Familie im Herbst geht er auch in Deutschland auf eine Tour für seine Wahrheit.

Gezielten Schrittes bahnt sich ein älterer Herr seinen Weg durch das überfüllte Foyer des Pfarrheims in Herzogenrath. Es ist nicht leicht, zu dem allgemeinen Objekt der Neugier vorzudringen. Junge Priester im Talar, Laien im feinen Zwirn, sie alle wollen mit ihren Handys ein Erinnerungsfoto mit dem Ehrengast machen. Schließlich hat es der alte Mann im Trachtenjankerl geschafft: Er steht im Angesicht Seiner Eminenz, des Kardinals Raymond Burke. Umgehend kniet er vor dem Würdenträger mit schwarzer Soutane und scharlachrotem Birett nieder, ergreift die ihm dargebotene rechte Hand und küsst den Kardinalsring. Burke lächelt freundlich, nimmt das Buch, das ihm der Gläubige reicht, zückt seinen Füller und signiert es. Der Wahlkämpfer weiterlesen

Heute hier, morgen dort…

In: IFP Voloblog, 26. Februar 2015

… bin kaum da, muss ich fort – das Gefühl kennen viele Volontäre nicht nur aus der Jukebox, sondern aus ihrem eigenen Leben. Alle paar Monate ein neuer Abschnitt in einer spannenden Großstadt – das ist aufregend. Und belastend zugleich.

Fünf Jahre – so lange hatte ich Jana nicht mehr gesehen. Als ich dann im vergangenen Herbst in die Hauptstadt kam, hatten wir uns logischerweise viel zu erzählen. Genauso war es bei Esad, meinem früheren Mitbewohner aus Trier, oder bei Christian, einem Freund und Journalisten-Kollegen: Gute alte Freunde, die ich wiedersehen konnte. Heute hier, morgen dort… weiterlesen