fahrstil #35: Kostenlos, aber kompliziert: Der Gratis-ÖPNV in Luxemburg

Willkommen Bord von fahrstil #35 °zug!
Angesichts der breiten Debatte über das deutsche 9-Euro-Tickets passt mein Beitrag gut in die Zeit. Denn mit der Einführung eines Gratis-ÖPNV sorgte Luxemburg 2020 für einen Paukenschlag: Seitdem braucht dort, wer in Bussen, Zügen oder der Tram unterwegs ist, kein Ticket mehr – das das Rad kann man umsonst mitnehmen. Doch hat die international viel beachtete Maßnahme wirklich zu einer Verkehrswende beigetragen?

Ist die Gesellschaft durch Corona solidarischer geworden?

Die Gesellschaft, sie entschleunigt sich in diesen Tagen. Ich hatte bei meinen Besorgungen viele Begegnungen, die physisch distanzierter, aber umso freundlicher abliefen: Man schenkt sich eher mal ein Lächeln, man wartet eher mal ab, bis jemand die Straßenseite gewechselt hat, statt zu drängeln.
Doch auf den Straßen weht derzeit – so nicht nur mein eigener Eindruck – ein rauer Wind. Obwohl weniger los ist als sonst, bin ich auf meinem Rad noch viel rücksichtsloser bedrängt, überholt und geschnitten worden als sonst.
Freilich: die 1,50 Meter Mindestabstand haben immer schon nur eine Minderheit der Autofahrer interessiert. Und wahr ist leider auch, dass die Sicherheit von Radfahrenden der Gesellschaft nie besonders wichtig war. Ironischer weise ist es jetzt indirekt wichtig geworden, das Überfahren von Radfahrern zu verhüten: Man will möglichst viele der wertvollen Krankenhausbetten frei halten.

Die Hoffnung freckt zuletzt

In: Der Freitag, 14. März 2019

„Radwege aus der Krise“ lautet das Wochenthema im neuen Freitag. Jakob Augstein hat dazu ein spannendes Interview mit dem Berliner Klimaaktivisten Heinrich Strößenreuther geführt. Dank seines Engagements für den Volksentscheid Fahrrad ist in Berlin Bewegung bei der Straßengestaltung zu spüren. Der Rest der Republik bleibt jedoch weitgehend träge, wie mein Beitrag aus dem deutlich ländlicher geprägten Rheinland-Pfalz veranschaulicht. Ich musste dafür nicht lange recherchieren; ein kleiner Ausflug bei vereisten Radwegen reichte:

Nach einer Schlitterpartie entschloss ich mich also, auf der benachbarten Bundesstraße zu radeln. Sie liegt höher als der Radweg, weshalb sie von Hochwasser und Baumschäden stets verschont bleibt. Winterdienst und Wartung würden für stressfreies Fahren sorgen – wären da nicht die vielen Autofahrer, die mich in rasantem Tempo und bei lächerlichem Abstand überholen oder mir mit lautem Hupen zu verstehen geben: „Verpiss dich, du hast hier nichts verloren!“

Zum Beitrag:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/holprig-fuehren-alle-wege-ins-nichts
Foto: Karsten Müller

Die erste Fahrradstraße in meiner Stadt

Sie ist noch nicht perfekt, die erste Trierer Fahrradstraße. Aber sie ist ein Anfang. Und sie hat mir einen Eindruck verschafft, den ich in dieser Stadt mit ihren aggressiven Straßen in all den Jahren noch nie hatte: Zum ersten Mal sah ich, wie eine Mutter und ihre vielleicht vier, fünf Jahre alte Tochter nebeneinander völlig entspannt unterwegs waren. Sie haben sich unterhalten, das Kind hat gelacht, während ein Auto hinter ihnen ganz brav wartete, statt wie sonst üblich zu überholen. Hier war das Auto nur geduldet und es zeigte sich, wie sichere Infrastruktur lebenswerten Stadtraum schaffen kann.