Ist die Gesellschaft durch Corona solidarischer geworden?

Die Gesellschaft, sie entschleunigt sich in diesen Tagen. Ich hatte bei meinen Besorgungen viele Begegnungen, die physisch distanzierter, aber umso freundlicher abliefen: Man schenkt sich eher mal ein Lächeln, man wartet eher mal ab, bis jemand die Straßenseite gewechselt hat, statt zu drängeln.
Doch auf den Straßen weht derzeit – so nicht nur mein eigener Eindruck – ein rauer Wind. Obwohl weniger los ist als sonst, bin ich auf meinem Rad noch viel rücksichtsloser bedrängt, überholt und geschnitten worden als sonst.
Freilich: die 1,50 Meter Mindestabstand haben immer schon nur eine Minderheit der Autofahrer interessiert. Und wahr ist leider auch, dass die Sicherheit von Radfahrenden der Gesellschaft nie besonders wichtig war. Ironischer weise ist es jetzt indirekt wichtig geworden, das Überfahren von Radfahrern zu verhüten: Man will möglichst viele der wertvollen Krankenhausbetten frei halten.
Liebe Kommunen: Vielspurige Stadtautobahnen, auf denen das Leben von Radfahrern permanent gefährdet wird, sind ein Skandal!
Wollt Ihr nicht wenigstens jetzt, in diesen Krisenzeiten, lebenswerte Verkehrsräume schaffen? Mit Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit und geschützten Spuren, auf denen Radfahrer sicher fahren und Spaziergänger flanieren können, ohne dass sie sich auf den viel zu engen Bordsteinen viel zu nahe kommen?
Ihr werdet sehen, dass die Städte davon profitieren werden. Machen wir aus der Corona-Krise eine Corona-Chance für eine Stadtraumgestaltung, die dem Menschen dient und nicht dem Blech.
Das Foto: Eine Straßenszene in Trier. Fußgängerweg, Abbiegespur, Geradeausspur, Geradeausspur, Abbiegespur, Abbiegespur. Wo bleibt der Radverkehr?

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.