Kirche in Luxemburg muss nach Abkommen zur Trennung von Glaubensgemeinschaften und Staat umdenken
In: Saarbrücker Zeitung, 28. Juli 2015
Mit der Trennung von Kirche und Staat hat das kleine Großherzogtum Luxemburg im Januar große Schlagzeilen gemacht. Für Außenstehende war es bislang nicht leicht, das monatelange Ringen zwischen der offensiven linksliberalen Regierung und dem Erzbistum nachzuvollziehen. Jetzt hat der ehemalige bischöfliche Generalvikar Erny Gillen einen detailkundigen Zwischenbericht vorgelegt.
Gillen war einer der Protagonisten auf kirchlicher Seite. Der frühere Professor für Theologische Ethik und Vorsitzende von Caritas Europa war seit 2011 Generalvikar. In dieser Funktion bekam er die zunehmenden Risse im alten System des Staatskatholizismus mit. Ein System, das 200 Jahre überdauert hatte: „Seit der napoleonischen Epoche stand die Zeit in Sachen Religion und Staat im Großherzogtum lange still“, schreibt Gillen in dem 68-seitigen Bericht.Priester wurden vom Staat als „Kultusdiener“ bezahlt, ebenso die Religionslehrer und pastoralen Laienmitarbeiter. Die katholische Erziehung erfolgte im verpflichtenden Religionsunterricht, und in den sogenannten „Kirchenfabriken“ verwalteten Kommunen und Pfarreien die Güter der Kirche vor Ort. „Die Welt war dual und die Mehrheitsverhältnisse waren auch über die ‚C‘-Partei, die Christlich Soziale Volkspartei (CSV), eindeutig zugunsten der katholischen Welt“, so Gillen.
Ende 2013 kam mit der sogenannten Gambia-Koalition unter der Führung der Liberalen ein neues Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen an die Macht, das die jahrzehntelange Dominanz der CSV brach. Innerhalb der Regierungsparteien gab es offen kirchenfeindliche Kräfte, und der auch neue Ministerpräsident Xavier Bettel fremdelte als bekennender Homosexueller mit kirchlichen Positionen.
Prozess der Trennung von Staat und Kirche begann schon vor Gambia
Doch wie Gillen belegt, begann der Prozess der Trennung von Staat und Kirche nicht erst unter der neuen Regierung. Zwar brachte diese 2014 Gesetze auf den Weg wie die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe oder eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Doch schon die Einführung eingetragener Partnerschaften 2004 und eine Euthanasie-Debatte 2008 zeigten laut Gillen, „dass die Luxemburger Gesellschaft und Politik sich von der Moral des katholischen Lehramtes weitgehend verabschiedet haben“.
Zudem habe bereits die alte CSV-geführte Regierung Unabhängigkeit von der Kirche zeigen wollen und eine Ersetzung des Schulfachs Religion durch Werteunterricht angestrebt. Beschlossen wurde das letztlich unter Gambia – mit dem im Januar unterzeichneten Vertragspaket. Gillen wertet diesen Punkt als Niederlage: Zwar würden Religionslehrer vom Staat für den Werteunterricht übernommen, doch ihr Beruf werde abgeschafft.
Erfolgreicher waren die Verhandlungen aus Kirchensicht in anderen Bereichen. So gibt es keine Streichung aller staatlichen Zuwendungen, sondern immer noch eine öffentliche Sockelfinanzierung für Religionsgemeinschaften. Allerdings erhält das Erzbistum Luxemburg statt rund 23 Millionen Euro jährlich künftig 7 Millionen; der Staat zahlt Gehälter von „Kultusdienern“ nur noch im Rahmen von Bestandsverträgen, und die Kirchenfabriken sollen in einem zu gründenden Fonds zusammengelegt werden.
Rat der Glaubensgemeinschaften als „historische Leistung“
Als „historische Leistung“ bewertet Gillen, dass eine gemeinsame Basis für die drei großen monotheistischen Weltreligionen ausgehandelt wurde. Die Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften schlossen sich im „Rat der konventionierten Religionsgemeinschaften“ zusammen – für Gillen ein „Königsweg“ im Staat-Religionen-Verhältnis.
Die neue Gleichheit unter den Religionsgemeinschaften werde „zu einer gesellschaftlichen Entkrampfung beitragen“. Gillen verweist auch darauf, dass das neue „Miteinander der drei abrahamitischen Religionen und des Luxemburger Staates“ just zu der Zeit begann, als in Paris der Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ stattfand.
Vor allem aber habe die Kirche neue missionarische und politische Freiheiten gewonnen. Sie sei nun gefordert, „sich selber von innen heraus in diese Gesellschaft und in diesen Staat als religiöse Kräfte und für den sozialen Zusammenhalt einzubringen“, so Gillen.