Vom Neandertaler zum Terminator

Völklinger Hütte zeigt Schau über den Mythos Schädel

23. Juli 2015

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte widmet sich der besonderen Bedeutung von Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Die neue Ausstellung „Schädel – Ikone. Mythos. Kult.“ vom 25. Juli bis 3. April zeigt rund 150 menschliche Schädel, Köpfe und Reliquien aus allen Kulturkreisen und Zeiten.

Völklingen (KNA) Über den tiefen Augenhöhlen von Franziska Tal windet sich ein Blumenkranz in Richtung Stirn. Viel ist es nicht, was von Franziska übrig geblieben ist. Nur ihr Schädelknochen mit den grün-roten Verzierungen, ihrem Namen und dem Hinweis, dass sie 1849 in Österreich starb. Lange war der Schädel einer von tausenden menschlichen Überresten in einem Beinhaus. Jetzt liegt er in einer Vitrine im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, wo ihn Besucher der neuen Ausstellung „Schädel – Ikone. Mythos. Kult.“ bis zum 3. April betrachten können.Eindrucksvoll stellt die Schau dar, wie Kulturen über Jahrtausende hinweg mit ihren Hinterbliebenen umgegangen sind, welchen Stellenwert der Mensch im Toe genoss. Da wurden Ahnen und Heilige verehrt, verziert, in Schreinen aufgebahrt. Da wurden aber auch Feinde gedemütigt, ihre Knochen zu Trophäen verarbeitet, wurden Köpfe zu Kultobjekten und Schädel zu Kunstwerken. Seit Jahrtausenden gilt der Kopf als magischster Teil des menschlichen Körpers, wo man die Seele des Menschen vermutete.

Franziska Tal ist es so ergangen wie seit dem Mittelalter vielen anderen Menschen aus Regionen Bayerns und Österreichs. Als ihr Grab geräumt wurde, landeten die Überreste in Beinhäusern. Sie hatte wohlmeinende Angehörige, denn diese bezahlten für einen Brauch, der lange überlebte. Noch bis in die 1980er Jahre wurden Schädel etwa im österreichischen Hallstatt, wo auch Franziska ruhte, mit Blumenmustern oder ornamentalen Bemalungen verziert.

 Spuren von rituellem Kannibalismus

Deutlich weniger anmutig endete vor etwa 170.000 Jahren das Leben eines Neandertalers aus der Koblenzer Gegend, dessen Schädeldecke seine Feinde wohl als Trinkschale benutzten. Er ist das älteste Exponat der Ausstellung. Die Völklinger Hütte spannt darin einen großen zeitlichen Bogen, der von der Vorzeit bis zum Terminator reicht. Auch andere Schädel aus der Steinzeit weisen Spuren von rituellem Kannibalismus auf.

Deutlich mehr Wert auf ihre Ahnen legten die Alten Ägypter, wie eine rund 4.200 Jahre alte Gipsmaske zeigt. Schädel dienten über alle Kulturen hinweg als magische Kraftzentren, mit denen man in Kontakt zu den Vorfahren treten konnte. Diese besondere Magie verdeutlichen ethnologische Funde aus Afrika, Ozeanien und Amerika. Kopftrophäen in Borneo sollten ganzen Dörfern Lebensenergie zuführen; Schrumpfköpfe aus Ecuador sollten ihren Trägern Jagderfolg garantieren.

Der Faszination des Schädels erlagen große Künstler wie Leonardo da Vinci, der aus Alabaster und Quarz ein Miniaturmodell formte, ebenso wie heutige Zeitgenossen. In der Pop-Kultur wimmelt es von Schädeln – sei es auf Schallplattencovern, in Kunstwerken oder Filmen. Völklingen zeigt Requisiten wie den Kristallschädel, der dem Film „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädel“ den Namen gab, oder den Totenkopf aus dem Schwarzenegger-Blockbuster „Terminator“.

wie geht die Ausstellung selbst mit den Toten um?

Doch wie geht die Ausstellung selbst mit den Toten um? Ein erklärtes Ziel, versichert Museumsdirektor Meinrad Maria Grewenig, sei der Gedanke des „Memento mori“ („Gedenke des Todes“). Besucher sollen sich mit der (eigenen) Sterblichkeit auseinandersetzen. Doch es tut sich eine Parallele zu der aktuell in Saarbrücken gastierenden Körperwelten-Schau auf, die zu Kunstwerken verarbeitete Leichen zeigt. Angesichts von exotischen Schrumpfköpfen und Kultopfern könnten manche Gäste die Völklinger Schau als Freakshow begreifen.

Grewenig sieht keine Nähe zur Körperwelten-Ausstellung. Der Schwerpunkt liege nicht bei anatomischen Darstellungen, sondern auf kulturgeschichtlichen Aspekten. Und sein Ausstellungshaus habe die Exponate nicht nachträglich verändert. Mögen manche Köpfe noch so schauerlich aussehen: Sie werden in Völklingen nüchtern und ohne Effekthascherei präsentiert. Schließlich ist die Kulisse der alten Gebläsehalle mit ihren Rohren und Maschinen eindrucksvoll genug.

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.