Vom Brandstifter zum Krisenmanager

Trierer Museen planen 2016 Ausstellung über Kaiser Nero

In: Frankfurter Neue Presse, 5. November 2015

Kaiser Nero gilt als Brandstifter und Tyrann. Doch er war auch talentierter Künstler und Krisenmanager. Drei Trierer Museen bereiten nun eine Ausstellung vor, die ab Mai 2016 ein differenzierteres Bild zeichnen soll.

Flammen. Überall Flammen. Der Horizont ist rot gefärbt, als Kaiser Nero die Terrasse seines römischen Palasts betritt. Nero streift ein Trauergewand über, ergreift seine Leier und kündigt dem Gefolge ein großes Lied an. „Ich muss mit jenen in Wettbewerb treten, die den Brand von Troja besungen haben“, sagt Nero. Er ist überzeugt: „Mein Lied muss größer sein, denn Rom ist größer als Troja.“

So mancher Leser dürfte sie prompt erkannt haben, die Schlüsselszene aus dem Film „Quo Vadis?“ von 1951. Peter Ustinov spielt darin einen größenwahnsinnigen Herrscher. Der Monumentalfilm prägt bis heute das Bild eines tyrannischen Kaisers, den die Geschichte zum Antichristen machte. Doch hält diese Sicht noch der historischen Forschung stand?

Eine Postkarte von Ustinov als Nero liegt auf dem Schreibtisch von Markus Groß-Morgen. Der Direktor des Museums am Dom in der Trierer Altstadt ist sich der Faszination bewusst, die der Kaiser bis heute auf Geschichtsinteressierte ausübt. Mit zwei weiteren Museen bereitet sein Haus die nach eigenen Angaben erste große Nero-Ausstellung außerhalb Roms vor. Vom 14. Mai 2016 an soll sie ein differenzierteres Bild vom Herrscher zeichnen.

Das Schicksal des Kaisers, der von 54 bis 68 nach Christus regierte, ist eng mit jenem Brand im Juli 64 verwoben, der zahlreiche Stadtviertel der Ewigen Stadt verwüstete. Schon früh kamen Gerüchte auf, Nero habe Rom angezündet, um Platz für eigene Bauprojekte zu schaffen. Mit dem beliebten Mythos räumt die Althistorikerin Katharina Ackenheil auf: „Es ist weitgehend Konsens, dass Nero Rom nicht angezündet hat.“

Flammenversehrte Artefakte

Ackenheil ist eine der Kuratorinnen, die im Trierer Rheinischen Landesmuseum am Konzept der Ausstellung arbeitet. Sie kündigt an, dass der Brand des Jahres 64 eine wichtige Rolle spielen wird. So werde das Museum erstmals mit Brandspuren versehene Fundstücke zeigen, die jüngst in Rom ausgegraben wurden. Alltagsgegenstände, darunter Tonkrüge, sollen das Leben der urbanen Bevölkerung im ersten Jahrhundert illustrieren.

Das Feuer brach aus Sicht heutiger Forscher auf natürliche Weise aus, und Ackenheil attestiert Nero ein gutes Krisenmanagement: „Er hat sich effektiv um die Brandbekämpfung gekümmert, neue Bauverordnungen erlassen und die Feuerwehr neu strukturiert.“ Die Gerüchte, der Kaiser selbst sei der Brandverursacher, seien gefährlich gewesen. Um sich zu schützen, machte er die Christen dafür verantwortlich. Viele Angehörige des jungen Glaubens, auch Petrus und Paulus, wurden hingerichtet. Doch war Nero der erste systematische Christenverfolger?

Man müsse genauer hinschauen, meint Groß-Morgen. Die verschworene kleine Gemeinschaft der Christen habe sich verdächtig gemacht, da sie den Kaiserkult abgelehnt und weitgehend im Geheimen gelebt habe. „Es war normale kaiserliche Politik, dass man von sich ablenkt und versucht, Sündenböcke zu finden“, erklärt der Museumsleiter. In der gesamten römischen Antike seien zwischen 6.000 und 8.000 Christen hingerichtet worden; viele auf grausame Weise, etwa durch Verbrennen.

Nero sei aber kein wirklicher Feind des Christentums gewesen. Ihn daher als den ersten systematischen Christenverfolger zu dämonisieren, sei nicht gerechtfertigt, so Groß-Morgen. Das Museum am Dom werde im kommenden Jahr auch das Thema „Nero und die Christen“ beleuchten. Es gebe bereits mündliche Zusagen für Exponate aus vielen deutschen Museen, aber auch aus Rom, Neapel, London und Le Havre.

Zwiespältige Persönlichkeit

Die Trierer Schau, versichern die Macher, will kein völlig neues Nero-Bild entwerfen. Sie zeigt auch den grausamen Tyrannen, der seine Mutter töten ließ. Doch manche Klischees sollen widerlegt werden. Etwa, dass Nero ein schlechter Sänger gewesen sei: In Wahrheit habe er Talent gehabt und seine Stimme fleißig trainiert. „Darüber hat er aber seine Aufgaben als Kaiser vernachlässigt“, sagt Ackenheil. Die Kuratorin kennt die Szene aus „Quo Vadis?“, als der Wahnsinnige in schiefer Tonlage
singt: „Nehmt dieses Rom, oh Flammen, verbrennt es!“ Den Oscar habe Ustinov verdient, sagt sie. Ihr Job ist es nun, dem Publikum die anderen Seiten des Nero zu präsentieren.

Ausstellungen zu Nero in Trier, Museum am Dom, Rheinisches Landesmuseum, Stadtmuseum Simeonstift, vom 14. Mai bis 16. Oktober 2016, geöffnet dienstags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr, Kombi-Ticket 18 Euro. (06 51)9 70 80 52.  www.nero-ausstellung.de.

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.