Die spinnen, die Spin-Doctoren

Althistoriker Matijevic findet den neuen Asterix-Band gelungen

Text auszugsweise erschienen in: DRadio Kultur sowie SWR.de, 22.10.2015

Mit „Der Papyrus des Cäsar“ ist dem neuen Asterix-Duo Ferri und Conrad ein witziges und geistreiches Abenteuer gelungen. Der Trierer Althistoriker Kresimir Matijevic hat das Werk unter die Lupe genommen.

Trier/Frankfurt (KNA) Latein war nicht das Lieblingsfach des jungen Jean-Yves Ferri. „Ich habe ver-sucht, das so oft wie möglich zu schwänzen“, gibt der Asterix-Szenarist zu. In grauer Strickweste, mit Kappe auf dem Kopf hat er bei der Frankfurter Buchmesse Hunderte Comic-Hefte signiert. Es sind Ausgaben von „Asterix bei den Pikten“, dem Erstlingswerk Ferris und des Zeichners Didier Corad, der im dezenten schwarzen Pullover neben Ferri und Übersetzer Klaus Jöken sitzt.

Die Fans hätten sich natürlich lieber schon den „Papyrus des Cäsar“ signieren lassen, doch das neue Album gibt es am Buchmessen-Samstag noch nicht. Dafür erleben die Besucher zwei gut gelaunte 56-Jährige auf Werbetour. Dass Ferri und Conrad, beide Jahrgang 1959, es verstehen, einem Kult-Comic Esprit und Witz zu verleihen, haben sie auch mit ihrem neuen Asterix-Heft bewiesen: Das 36. Abenteuer des berühmten Galliers knüpft an den Geist früherer Jahrzehnte an.

„Der Papyrus des Cäsar“ ist ein Heft voller Anspielungen – auf moderne Medien auf der Schlagzeilensuche, den Überwachungsstaat mit seinen Whistleblowern, die sozialen Medien. Die zentrale Rolle nimmt Cäsars „Gallischer Krieg“ ein. Im Gymnasium, so erinnert sich Ferri, habe er einige Passa-gen übersetzen müssen; es war damals eine Qual. Anders heute: „Ich habe das Buch im Ganzen wieder gelesen, und es hat mich jetzt deutlich mehr interessiert.“ Conrad scherzt: „Er versteht jetzt perfekt Latein.“

Angelpunkt des neuen Heftes ist jener geheimnisvolle Papyrus des Cäsar. Es ist ein einzelnes Kapitel aus dem Gallischen Krieg, in dem Cäsar seine Rückschläge im Kampf gegen die unbeugsamen Gallier auflistet. Sein berüchtigter Spin-Doctor Syndicus rät dem Feldherrn hingegen, die Misserfolge zu unterschlagen, denn „das macht sich nicht so gut in deinem Curriculum Vitae“.

Ein Whistleblower spielt den Papyrus den Galliern zu

Cäsar stimmt dem zu, doch ein Whistleblower entwendet das Papier und spielt es den Feinden zu. Der gallische Journalist Polemix erkennt dessen Schlagzeilenwert: „Dieses Dokument wird das römische Reich bis in seine Grundfesten erschüttern!“ Mit Hilfe von Asterix und Obelix versucht er, das Geheimnis der Nachwelt zu überliefern.

Der Trierer Althistoriker Kresimir Matijevic, Experte für die Geschichte der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit, lobt: „Das Album ist pfiffig gemacht und sehr sympathisch umgesetzt.“ Viele historische Details seien darin mit Gegenwartsbezügen verarbeitet – wenn auch mit einem Augen-zwinkern.

Dass Cäsar seinen Tatenbericht wie im Comic geschönt oder Sachverhalte übertrieben hat, hält Matijevic durchaus für möglich. „Aber er verheimlicht im Gallischen Krieg nicht die Rückschläge, die er in dem jahrelangen Krieg erlitten hat“, gibt der 40-Jährige zu bedenken. Im Beraterstab seien schließlich auch Kritiker gewesen, etwa Quintus, der Bruder seines berüchtigtsten Gegners Cicero.

Viele Fakten historisch korrekt dargestellt

Viele Fakten in dem neuen Asterix seien historisch korrekt dargestellt, berichtet Matijevic: Die lediglich mündliche Überlieferungstradition der Gallier, der Einsatz von Brieftauben als „neue Nachrichtentechnik“. Der Historiker muss schmunzeln, wenn im Heft von einer „großen Auflage“ die Rede ist, weil sich Cäsars Buch schon 50-mal verkauft habe. „Das kommt den realen Verhältnissen wohl tat-sächlich ziemlich nahe; einige hundert Exemplare waren wohl im Umlauf, es wurden auch Abschriften auf Papyrus getätigt.“

Im „Gallischen Krieg“ führte Cäsar mit dem Rhein eine Grenze zwischen Deutschland und Frankreich ein, welche die Jahrtausende überdauert hat. Kriegerisch und engstirnig, so stellten sich die gallischen Asterix-Erfinder 1963 das Nachbarvolk im Abenteuer „Asterix und die Goten“ vor. „Ein bisschen speziell“ findet Ferri dieses Heft 50 Jahre später; seit den 60er Jahren hätten sich die Dinge doch sehr verändert.

Kommt also irgendwann ein Asterix-Abenteuer, das ein neues Deutschlandbild zeigt? „Wir haben darüber nachgedacht“, berichtet Conrad: „Ja, es wäre möglich.“ Ob es aber jemals dazu kommt? Zumindest Obelix hätte da seine Zweifel: „Man darf eben nicht alles glauben, was man liest.“

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.