Pionier der schulgeldfreien Erziehung

Vor 450 Jahren wurde der heilige Pierre Fourier geboren

In: Trierischer Volksfreund, 30. November 2015

Er war ein Pionier der schulgeldfreien Erziehung: Vor 450 Jahren, am 30. November 1565, wurde der heilige Pierre Fourier in Lothringen geboren. Seine Vision von Bildung für Mädchen auch aus armen Familien war wegweisend.

Trier (KNA) Bildung – und dann auch noch für Mädchen? Auch für arme Mädchen, gar für solche aus protestantischen Familien? Ein kühner, ein unerhörter Gedanke im Europa des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Als der junge Pfarrer Pierre Fourier im Juli 1598 in Poussay die erste öffentliche schuldgeldfreie Mädchenschule Lothringens eröffnet, ist er einer der europaweiten Pioniere.

Zwar konnten Mädchen auch im Mittelalter schon Bildung erfahren, wurden einzelne Frauen wie Hildegard von Bingen gar zu herausragenden Gelehrten. Doch war dies zumeist auf Angehörige gehobener Schichten beschränkt. Dass auch arme Mädchen Schulunterricht erfahren konnten, dafür setzten sich im 16. Jahrhundert Frauenorden wie die von der heiligen Angela Merici gegründeten Ursulinen ein. Auch Fourier setzte auf die Unterstützung engagierter Nonnen, allen voran die selige Alix Le Clerc.

Eine Epoche voller Kontraste

Geboren wurde Pierre Fourier vor 450 Jahren, am 30. November 1565, im aufstrebenden lothringischen Städtchen Mirecourt. „Es war eine Epoche voller Kontraste, wie die unsrige, eine Zeit des Umbruchs“, erklärt die Essener Ordensfrau Maria Dorothea Kuld. Sie gehört dem Orden der Augustiner Chorfrauen der „Congregatio Beatae Mariae Virginis“ an, die von Fourier und Le Clerc gegründet wurde. Kuld setzt sich seit langem mit dem Leben und Wirken des Ordensgründers auseinander.

Die Zeit, in welcher der Sohn eines Tuchmachermeisters und einer Offizierstochter aufwuchs, war geprägt von religiöser Dynamik zwischen Reformation und Gegenreformation, sozialen Umbrüchen und Kriegen. Mit 13 Jahren trat er in ein Jesuitenkolleg ein, studiert Theologie und Jura. Kuld weist auf die Regel der Jesuiten hin, dass niemand „wegen niederer Geburt oder Armut“ zurückgewiesen werden solle. Diesen Leitsatz habe er später für seine Mädchenschulen übernommen. Mit 20 Jahren trat er den Augustiner Chorherren bei.

In Trier zum Priester geweiht

Fourier wurde 1588 in der Trierer Stiftskirche Sankt Simeon zum Diakon geweiht. Sein Bistum Toul gehörte damals zur Kirchenprovinz des Erzbistums Trier. In der nicht mehr existierenden Kirche, ein früherer Überbau des römischen Stadttors Porta Nigra, wurde er am 25. Februar 1589 auch zum Priester geweiht. Anschließend studierte er in Pont-a-Mousson Theologie und Jura. Nach seiner Promotion übernahm er 1597 mit 32 Jahren die Pfarrei Mattaincourt.

Dort setzte sich der junge Pfarrer für die Armen ein. „Seine Spiritualität ist geprägt von Dynamik“, sagt Schwester Dorothea. Fourier gründet Bruderschaften, eine Notkasse und eine Bank, die Darlehen an Notleidende gewährt. „In der fehlenden Bildung seiner Zeitgenossen erkennt er die Hauptwurzel des sozialen Elends und der Armut“, so Kuld. Gegen große Widerstände machte er sich an die Gründung der Mädchenschule, bei der ihm Alix Le Clerc und weitere Mitstreiterinnen halfen.

Mädchenschule als „kühnes Projekt“

Die Mädchenschule unterrichtete nicht nur den Katechismus, Lesen und Schreiben – die Schülerinnen sollten auch eine ganzheitliche Bildung erfahren, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Arme oder reiche, katholische oder protestantische Mädchen – sie alle wurden gleich behandelt. Kuld bezeichnet die Schule als „kühnes Projekt in einer Gesellschaft der Stände und in einer Zeit der Glaubenskämpfe“.

1597 gründeten Fourier und Le Clerc die Congregation Notre Dame, die 1628 von Papst Urban VIII. mit der apostolischen Aufgabe der Erziehung bestätigt wurde. In Trier gründeten die dort als Welschnonnen bekannten Ordensfrauen 1640 ihre erste Niederlassung in Deutschland. Schnell breitete sich der Orden weiter aus. Bis 1789 entstanden 90 Häuser, in denen rund 4.000 Schwestern wirkten.
Mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges musste Pierre Fourier, der für die Unabhängigkeit Lothringens eintrat, seinen Wirkungsort Mattaincourt verlassen. 1636 ging er ins Exil in die Franche Comte.

Am 9. Dezember 1640 starb der „gute Vater von Mattaincourt“ in Gray. Papst Leo XIII. sprach ihn 1897 heilig.

 

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.