Mit Sambarhythmen durch die Nacht

14.000 Athlethen beim 11. ING Night Marathon Luxembourg 2016

Text: © Michael Merten
Foto: © ING Night Marathon Luxembourg

Dieser Beitrag ist im Marathon Jahrbuch 2016 von Marathon4you erschienen (http://www.marathon4you.de/marathon-jahrbuch)

2006 fiel im Großherzogtum Luxembourg erstmals der Startschuss zum ING Night Marathon. 2016 waren bei der 11. Auflage erneut 14.000 Athleten in der weltoffenen, internationalen Stadt am Start. Drei Streckenrekorde wurden dabei aufgestellt, es war eine rauschende Sportnacht.

Ich selbst bin 2009 und 2010 den Marathon gelaufen. Mit seinen 300 Höhenmetern ist es ganz klar eine Herausforderung – doch wer sich ihr stellt, wird mit faszinierenden Lichteffekten, Sambarhythmen, 100.000 begeisterten Zuschauern und einer außergewöhnlichen Stimmung belohnt, wie sie nur ein Marathon in den Abendstunden bieten kann. Hier mein Erfahrungsbericht.

Eine außergewöhnliche Stimmung herrscht in den Starterblocks vor den Hallen der Lux-Expo. Keine verschlafenen Blicke von Läufern, die sich in aller Frühe aus dem Bett gequält haben und nun in der Morgenkälte bibbernd auf den Startschuss warten, wie man es von Frühjahrsläufen gewöhnt ist.

Stattdessen ausgeruhte Athleten, die in der milden Nachmittagssonne ihre Aufwärmrunden drehen oder einfach nur die Stimmung genießen. Das ist einer der größten Vorzüge des Luxembourg Marathons: Bei einem Startschuss um 19 Uhr kann man genüsslich Ausschlafen, ohne Eile frühstücken und sich langsam auf die Herausforderung am Abend einstimmen.

Viele mögen das kleine Großherzogtum nur als Bankenmetropole und Sitz mehrerer EU-Institutionen kennen. Luxembourg-Stadt ist eine faszinierende Mischung aus jahrhundertealtem, historischem Altstadtkern und dem Kirchberg-Plateau, auf dem die Banken- und Bürotürme der Moderne thronen. Längst hat sich die Stadt mit dem Marathon in der internationalen Laufszene etabliert.

Marathon ist so facettenreich wie das kleine Großherzogtum

So facettenreich wie die multikulturelle Stadt ist auch der Marathon, denn er nimmt die Läufer aus mehr als 100 Nationen mit auf eine anspruchsvolle Tour durch ganz unterschiedliche Viertel. Die ersten Kilometer bleibt die Strecke recht flach auf dem Kirchberg. Dann geht es zügig bergab, und der atemberaubende Blick auf die Talstadt ist herrlich! Wenn da bloß nicht dieses Wissen im Hinterkopf wäre: Wo wir jetzt gerade hinunterlaufen, müssen wir bei KM 37 wieder hoch!

Zunächst geht es durch den Stadtteil Limpertsberg, wo sich das Große Theater und ein Teil der Universität befinden. Nach 13 Kilometern zeigt sich Luxemburg von einer seiner schönsten Seiten: Wir durchqueren den idyllischen Parc Municipal, bevor es mit rasantem Tempo durch die Gassen der Altstadt geht. Grund dafür, dass die meisten Läufer hier Adrenalin ausschütten und Gas geben, ist das „legale Doping“ am Straßenrand. Denn in der Innenstadt, wo das Publikum dicht an dicht steht, zeigt sich das multikulturelle Gesicht des Großherzogtums.

Durch den Hexenkessel der Altstadt

Hier leben und arbeiten Menschen aus allen Nationen; französische Lebensart, Küche und Savoir vivre sind auf den Straßen zu spüren. Die Einwohner lieben ihren Marathon: Viele der 100.000 Zuschauer stehen in der Altstadt Spalier, jubeln dicht an dicht den 10.000 Läufern zu. Rund 500 Samba-Künstler verwandeln die Straßen in einen Hexenkessel. Kaum sind wir aus diesem anderthalb Kilometer langen Adrenalin-Abschnitt heraus, geht es wieder durch den Park. Der Clou: Bis Kilometer 15 verlaufen Marathon und Halbmarathon parallel. Wer einen schlechten Tag erwischt hat, kann sich jetzt noch für die 21 Kilometer entscheiden – und läuft wieder hinauf zum Kirchberg.

Wer keine halben Sachen machen will, der kommt in den Genuss, noch viel mehr von der Stadt zu sehen. Bei zunehmender Dunkelheit geht es durch die Stadtteile Belair, Hollerich und Gare. Die beleuchteten Straßen und Häuser, aber auch das samstagabendlich entspannte Publikum machen den besonderen Reiz aus. Bei Kilometer 35, wo wir alle mit unserem inneren Schweinehund kämpfen, geht es noch einmal durch die Altstadt. Die Dröhnung aus tausenden anfeuernden Zuschauern, Trommlern, Tänzern und Bands gibt den nötigen Adrenalinschub, um sich wieder hinauf auf den Kirchberg zu kämpfen.

Noch einmal quälen, dann ist auch schon die Lux-Expo in Sicht. Der Einlauf ist für jeden Athleten die Krönung: Bei disco-artiger Bestrahlung, Beats und frenetischem Beifall geht es durch das Ziel. Es waren 42,195 anspruchsvolle Kilometer, doch die Mühen werden beim Zielbier in dieser Atmosphäre mehr als belohnt.

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.