Weder großer Kaiser noch grausamer Despot

Drei Trierer Museen zeigen Nero in neuem Licht

In: Paulinus, 22. Mai 2016
Text und Fotos: © Michael Merten

Den römischen Kaiser Nero betrachten viele Menschen noch immer als grausamen Tyrannen, der Rom anzündete. Drei Trierer Museen zeigen ihn in neuem Licht und verdeutlichen mit einer großen Nero-Schau, wie veraltet dieses Bild ist.

„Was? Wie können Sie denn eine Ausstellung über diesen Mann machen?“, gibt Elisabeth Dühr Reaktionen auf die Ankündigung wieder, eine große Schau über den römischen Kaiser Nero zu machen. Nero, das ist für viele Menschen noch immer der Inbegriff des unmoralischen Despoten, der furchtbar gegen die frühen Christen wütete. Durch die christliche Überlieferung, noch viel stärker aber durch Hollywoodfilme wie „Quo vadis?“ ist dieses Bild geprägt, sagt die Leiterin des Stadtmuseums Simeonstift in Trier.

In dem Monumentalfilm von 1951 brillierte Peter Ustinov als Wahnsinniger, der Rom anzünden lässt und dazu ein kümmerliches Lied anstimmt. Eine grandiose Darstellung, die aber nicht viel mit den Erkenntnissen der Archäologen und Historiker über Nero gemeinsam haben. Die bis zum 16. Oktober laufende Sonderausstellung „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ in drei Trierer Museen will den Ustinov aus den Köpfen der Besucher löschen.

Geht von Trier nun also eine Glorifizierung Neros aus? Mitnichten. Vielmehr wollen die drei Museen das einseitig negative Bild relativieren, das über fast zwei Jahrtausende von dem Herrscher von 54 bis 68 nach Christus gezeichnet wurde. Es ist die erste große Nero-Schau in Mitteleuropa, auf insgesamt mehr als 2000 Quadratmetern werden mehr als 800 Exponate aus über 90 Museen gezeigt.

Viele haben das Brandstifter-Klischee vor Augen

Das Rheinische Landesmuseum Trier räumt mit einem beliebten Mythos auf: Dass Nero den verheerenden Brand von Rom 64 nach Christus gelegt habe. „Die meisten haben nur das Klischee des Brandstifters, des Muttermörders vor Augen“, erklärt der Direktor Marcus Reuter, der vor vier Jahren die Idee zu der Ausstellung hatte. Zwar habe Nero tatsächlich seine Mutter ermorden lassen, der Brand sei jedoch zufällig entstanden. „Es gab unzählige Brände im Rom der Antike“, sagt Reuter.

Nero habe sich nach der Katastrophe als guter Krisenmanager gezeigt, seine Gärten für die notleidende Bevölkerung geöffnet und neue Brandschutzverordnungen erlassen. Zu den exquisitesten Exponaten gehören Relikte aus Eisen, Gefäße, Lampen und Torgitter, welche den Brand überstanden haben und zum Teil erst vor Kurzem vom Museo Nazionale Romano ausgegraben wurden. Auch antike Löschwerkzeuge wie Eimer und Leiter werden gezeigt.

Das Landesmuseum, das den größten Part der Ausstellung stemmt, geht in seinen 14 Präsentationsräumen chronologisch vor. Eine Marmor-Togastatue stellt Nero als Jugendlichen dar. Er habe, ordnet Reuter ein, als engagierter Kaiser angefangen, in seinen letzten Jahren als „Künstler-Kaiser“ aber mehr Interesse am Schauspiel als am Regieren gezeigt.

Die Christen waren „der ideale Sündenbock“

Im Museum am Dom steht der Aspekt „Nero und die Christen“ im Mittelpunkt. Der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters berichtet, es habe durchaus kontroverse Diskussionen darüber gegeben, ob sich ein kirchliches Museum mit Nero beschäftigen solle, dem „Prototypen des Christenverfolgers – der Titel wird ihm nicht zu nehmen sein“. Doch die Ausstellung biete eine „Steilvorlage, um die Situation der Religionsverfolgung weltweit in den Blick zu nehmen“. Im Rahmen der Ausstellung beleuchtet das Aachener katholische Missionswerk Missio die gegenwärtige Lage der Religionsfreiheit weltweit.

Nero, so ordnet Museumsleiter Markus Groß-Morgen ein, sei kein systematischer Christenverfolger wie spätere Kaiser gewesen. Vielmehr habe er politisch kalkuliert: „Er hat von dem Verdacht abgelenkt, den Brand selbst gelegt zu haben, und hat in der noch jungen Sekte des Christentums den idealen Sündenbock gefunden.“ Dass die Christen in den ersten Jahrhunderten Opfer von Verfolgungen und Spott waren, illustriert ein Graffito, das einen gekreuzigten Jesus mit Eselskopf darstellt.

Das Stadtmuseum Simeonstift konzentriert sich mit „Lust und Verbrechen. Der Mythos Nero“ auf den künstlerischen Umgang mit dem Kaiser. Exponate aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie, Film, Literatur, Musik, Textilien und Alltagskultur, etwa Briefmarken, Bierdeckel, Comicbücher und Karikaturen, verdeutlichen, welche Faszination Nero auf Künstler hatte und hat.

Die Sonderausstellung „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ wird bis zum 16. Oktober in drei Trierer Museen gezeigt. Das Kombiticket kostet 18 Euro, für Schüler, Familien und Gruppen gibt es Sondertarife. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.nero-ausstellung.de.

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.