„Ich will kein Sonderling sein“

Kreisliga-Kicker Malte Warnholtz steht zu seiner Homosexualität

In: Trierischer Volksfreund, 18.01.2014
Von KNA-Mitarbeiter Michael Merten

Homosexualität und Fußball: Seit dem Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger steht das Thema im Fokus von Fans, Medien und Sportlern. Einer, der mit seiner Offenheit auch positive Erfahrungen gemacht hat, ist Malte Warnholtz. Er spielt für die SG Altrich-Wengerohr II in der Kreisliga.

Wittlich. An den 28. April 2012 kann sich Malte Warnholtz noch gut erinnern. An dem Tag war seine A-Jugend-Mannschaft kurz davor, die Meisterschaft zu verspielen. Doch in der letzten Minute erzielte sein Team das Tor zum Ausgleich – die Chance auf die Fußballkrone blieb erhalten. In der Umkleidekabine fragte ihn ein Mitspieler: „Sag mal, bist du eigentlich schwul? Ich hab auch kein Problem damit.“ Malte wiegelte ab: „Warum, stehst du auf mich?“ Es war das letzte Mal, dass er seine sexuelle Identität verleugnete.

Malte Warnholtz ist ein 20-jähriger Azubi zum Industriekaufmann. Er hört die Toten Hosen, ist Fan der SV Eintracht Trier. Und vor allem spielt er leidenschaftlich gern Fußball. Am jenem Aprilabend outete er sich, verriet seinen Eltern: Ich bin schwul. Seit Tagen hört er Sprüche wie: „Der Thomas Hitzlsperger, wäre der nichts für dich?“ Rund um den früheren Nationalspieler, der als erster Bundesligaprofi offen zu seiner Homosexualität steht, entstand ein großer Medienrummel.

Malte lebt in Wittlich in der Eifel und spielt für die SG Altrich-Wengerohr II, ein Team aus der Kreisliga. Da läuft alles ein paar Nummern kleiner, doch das macht die Angelegenheit nicht weniger kompliziert. Denn egal ob Profi oder Hobby-Kicker: Obwohl Homosexualität in der Gesellschaft längst weitgehend akzeptiert wird, ist sie im „Männersport“ Fußball noch immer mit Vorurteilen und Ängsten behaftet.

Langes Ringen um die eigene sexuelle Identität

Die Vorbehalte gegenüber Homosexuellen beschäftigen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) seit einigen Jahren. Im Sommer verschickte der Verband eine 28-seitige Broschüre an die rund 26.000 Mitgliedsvereine. Darin heißt es, Lesben und Schwule würden „häufig ignoriert oder sogar offen abgelehnt“. Oder mit gedankenlosen Äußerungen verletzt, etwa: „Was für ein schwuler Pass!“

Für Malte war es ein langes Ringen um seine sexuelle Identität, das mit der Pubertät begann. „Auf meiner katholischen Hauptschule gab es auch Schwule, aber die wurden verarscht“, erinnert er sich. Vor Jahren besuchte der gebürtige Elmshorner ein Spiel des Hamburger SV, erlebte, wie Fans die Gegner als „Schwuchteln“ beschimpften. Als Jugendlicher hatte er ein Date mit einem Mädchen, das ihm von einem unglücklichen Kumpel erzählte – einem schwulen Fußballer. „Sie erzählte mir, dass der Junge sich nicht outen kann, weil er sonst für die anderen gestorben wäre.“

Nachdem Malte sich seinen Eltern und der Familie offenbart hatte, stand er vor dem Problem: Wie sage ich es den Mitspielern? Sein Team wurde Meister, Malte wurde 18 und wechselte in die Seniorenmannschaft. Im Winter 2012 stand eine Vereinsfahrt an. „Ich rief meinen Trainer an und sagte: ‚Ich kann nicht mit!‘, und erzählte ihm, dass ich schwul bin. Doch er sagte: ‚Das ist doch kein Problem!'“ Dergestalt ermutigt, nahm Malte an dem Ausflug teil.

DFB: Niemand darf zum Outing gedrängt werden

Die DFB-Broschüre stellt klar: Niemand darf zu einem Coming Out gedrängt werden. Es gibt auch keinen Masterplan, „denn jedes Coming-out ist unterschiedlich und abhängig vom (sozialen) Umfeld der betreffenden Person.“ Viele Vorschläge, etwa zur medialen Begleitung eines Outings, machen deutlich: Sie richten sich weniger an die breite Masse, sondern vielmehr an die Spieler in höheren Ligen. Heutzutage gibt es homosexuelle Fanclubs und Toleranzprogramme der Bundesliga-Vereine. Wer will, kann in eigenen lesbisch-schwulen Fußballteams spielen. Doch all das sind vor allem Phänomene der Großstädte. Die Frage ist, ob davon eine Signalwirkung an Vereine in ländlichen Regionen ausgeht.

Malte hatte Glück. Er blieb auch nach seinem Outing ein anerkannter Teil der Mannschaft. Hin und wieder muss er sich Anspielungen anhören, etwa, wenn ein Spieler dem anderen auf den Hintern klopft und dann sagt: „Na, Malte, das würdest du jetzt auch gern machen.“ Oder wenn im internen Chat jemand schreibt: „Die Bayern sind doch alle Schwuchteln“ und schnell hinterherschiebt: „Pardon, Malte, das ist nichts gegen dich.“ Mit so etwas kann der 20-Jährige leben. Anstrengender sei vor allem eine Sache: „Überall ist man aufgrund seiner Sexualität der Sonderling. Aber ich will kein Sonderling sein.“

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.