Das Land der aufrechten Frauen

Mit Innovationen verbessern Bäuerinnen in Burkina Faso ihre Lage

In: Paulinus, Domradio u.a., 06.03.2017

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Doch mit lokalen Initiativen gelingt es Kleinbauern, ihre Erträge zu verbessern. Treibende Kraft sind oft die Frauen, die so auch ihre Rolle im sozialen Gefüge verbessern.

Wasser ist ein kostbares und knappes Gut in der Hitze von Burkina Faso – das wissen die Frauen und Männer aus einem kleinen Dorf in der Nähe des Städtchens Gonponsum. Sie setzen die Ressource daher behutsam ein. Mit ihren Hacken heben die Männer kleine Bewässerungskanäle aus, um das Wasser des nahe gelegenen Staudamms nach und nach über das ganze Feld zu verteilen. Aus dem staubtrockenen Boden wird so wertvolles Ackerland, das die Frauen des Dorfs bestellen. Zwiebeln, Tomaten, Kohl, Auberginen – all das gedeiht nun unter der erbarmungslosen Sonne Westafrikas, die auch jetzt, im Winter, für bis zu 36 Grad Celsius sorgt.

In ihrem leuchtend gelben Kleid mit den reichhaltigen Verzierungen steht Assieta Zida am Rande eines Zwiebelfeldes. Die 50-Jährige ist stolz auf das, was sie und die anderen Kleinbauern erreicht haben. „Früher hatten wir Frauen nicht viel zu tun, wir sind nur zu Hause gewesen und haben uns um das Essen gekümmert“, erinnert sie sich. Doch seit der Ackerbau besser läuft, hat sich ihr Leben verändert: „Jetzt können wir die Kinder zur Schule schicken und uns selbst Dinge leisten.“

Es sind keine großen Revolutionen, die rund um Gomponsum passiert sind – jener Region, wo viele Kinder aus Kapazitätsgründen nur zwei Jahre zur Schule gehen können. Wo die Frauen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu den sieben Kilometer entfernten Feldern gelangen. Wo es erst seit 2016 Elektrizität gibt – wenn auch nur in einigen wenigen Läden entlang der Hauptstraße. Vielmehr hat sich die Lage der Kleinbauern Schritt für Schritt verbessert – dank des Staudamms, den ein reicher Einwohner weitgehend finanziert hat, aber auch, weil sich die Menschen auf landwirtschaftliche Innovationen eingelassen haben. Innovationen, wie sie die Partnerorganisationen von Misereor unter die Menschen bringen.

„Findige Bauern“

Für seine Fastenaktion 2017 hat das Bischöfliche Hilfswerk Burkina Faso zum Beispielland erklärt. Deutschlandweit werden Katholiken sich mit dem westafrikanischen Land am Rande der Sahelzone beschäftigen, das zu den zehn ärmsten Staaten der Welt zählt. Vier von fünf Einwohnern sind in der Landwirtschaft tätig, die zwar von einfachsten Produktionsbedingungen und geringen Erträgen geprägt ist. Doch Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel gibt sich optimistisch: „Das Land hat findige Bauern, die mit Kraft und Kreativität nach Lösungen für ihre alltäglichen Probleme suchen.“ Daher lautet das Leitwort der Fastenaktion „Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen“.

Im Februar besuchte Spiegel dasLand der aufrechten Menschen“, wie sich das frühere Obervolta seit 1984 nennt. Begleitet wurde er von dem Trierer Bischof Stephan Ackermann, der die Fastenaktion am 5. März als Gastgeber eröffnen wird, und einer Delegation aus Landwirten, Politikern, Verbandsvertretern und Journalisten. Misereor ist in dem jungen, 1960 aus französischer Kolonialregierung entlassenen Staat seit mehr als 50 Jahren engagiert. Die Deutschen setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit Partnern wie der nichtstaatlichen Organisation Diobass.

Seit 1990 organisiert Diobass mehrtägige Workshops für Kleinbauern und Wissenschaftler. Ziel ist ein gemeinsamer Lernprozess auf Augenhöhe. Die Bauern tauschen sich untereinander über bessere Anbaumethoden aus und schließen sich in bäuerlichen Forschungsgruppen mit Agrarexperten zusammen. So konnten pflanzliche Mittel gegen Tierseuchen entwickelt werden.

Für Assieta Zida war der Besuch eines Workshops die Initialzündung. Früher lebte sie mit ihrem Mann in der Elfenbeinküste, doch aus gesundheitlichen Gründen kehrte sie mit ihren sieben Kindern in die Heimat zurück. Der Mann blieb, er hat in der Elfenbeinküste noch weitere Frauen; das ist so üblich, Assieta nimmt ihm das auch nicht übel: „Wenn die Männer viele Frauen haben, können sie sich nicht um alle so kümmern, wie sie wollen.“ Im Klartext heißt das: Sie muss die Familie aus eigener Kraft versorgen.

Das gelingt nun deutlich besser als zuvor, seitdem die Ernte größer ausfällt. Dank des neu erworbenen Wissens wurden die Frauen des Dorfs selbstständiger. Assieta führt die Delegation in eine Lehmhütte, in der Plastikeimer und allerhand einfache landwirtschaftliche Gerätschaften lagern. Sie sagt: „Wir wollen in neue Geräte investieren.“

Mini-Molkerei

Bischof Ackermann zollt der Kleinbäuerin Respekt. „Solche kleinen unternehmerischen Initiativen“, sagt er, „verändern das soziale Gefüge: Die Frauen gewinnen Selbstbewusstsein und erzielen eigene Einkünfte.“ Ähnlich ist die Situation im Dorf Tambolo nahe der Grenze zu Ghana. Dort lebt der Volksstamm der Peulh; viele Menschen sind Halbnomaden und halten Kühe. Weil die Milch sich wegen der Hitze ungekühlt maximal vier Stunden hält und daher nur schlecht vermarktet werden kann, hat die Misereor-Partnerorganisation Pasmep den Bau einer Mini-Molkerei angeregt.

Mit drei motorisierten Lastkarren sammeln Fahrer die Milch in den benachbarten Dörfern ein. In der Molkerei wird sie dann zu Joghurt verarbeitet oder haltbar gemacht. Im Schnitt 42 Liter am Tag – das ist der Ertrag des kleinen Betriebs, der ausschließlich von den Frauen des Orts in Schichtarbeit betrieben wird. Das hängt mit dem traditionellen Familienbild zusammen: Die Frauen sind für Kühe, Kälber und Haushalt zuständig, die Männer ziehen mit den Viehherden umher.

Der Unternehmensgeist im Land der aufrechten Frauen erhöht schleichend deren soziale Stellung. „Wir leben jetzt unter besseren Bedingungen“, sagt Leiterin Maryam Diallo. „Wir haben selbst Geld und müssen nicht mehr für alles unsere Männer um Erlaubnis fragen.“ Eine Einwohnerin ergänzt: „Die Frauen sind sehr engagiert und bemühen sich auch, neue Kunden für uns zu gewinnen.“ Die Mini-Molkerei in Tambolo, die verbesserten Anbaubedingungen in Gomponsum – solche Initiativen sollen Beispiel machen, hofft Spiegel.

Trotz aller Probleme und Hürden: Der Optimismus der Burkinabe habe ihn begeistert, sagt der Misereor-Leiter. Und er zitiert Thomas Sankara, den 1987 ermordeten Präsidenten des Landes. Der damalige Hoffnungsträger, einer der charismatischsten Politiker des Kontinents, habe einmal gesagt: „Ja, wir brauchen Hilfe. Aber Hilfe, die uns hilft, auf Hilfe zu verzichten.“

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.