Asterix‘ Vater

Comiczeichner Albert Uderzo bei Ausstellung in der Völklinger Hütte

In: Magazin Forum, 15. Juni 2012

Der Altmeister als Tourist: Albert Uderzo war zu Gast in Völklingen. Im Weltkulturerbe machte der 85-Jährige der Ausstellung „Asterix und die Kelten“ seine Aufwartung. Er ist der Erfinder und Zeichner des unbeugsamen Comic-Helden.

Es war wie ein Ritterschlag für das Weltkulturerbe Völklinger Hütte: Albert Uderzo, Erfinder und Zeichner der berühmten Comicfigur, hat die Ausstellung „Asterix und die Kelten“ besucht und als die originellste bezeichnet, die er je gesehen hat. Beim Rundgang durch die Gebläsehalle ließ sich Uderzo ein wenig in die Karten blicken. Der Gallier verriet seinen keltischsaarländischen Verwandten, warum Obelix eigentlich nur ein Zufallsprodukt war, wann der nächste Comic erscheinen und wie die Zukunft der unbeugsamen Gallier aussehen soll.Es ist ein ungleiches Paar, das sich dem Blitzlichtgewitter in der Gebläsehalle des Weltkulturerbens Völklinger Hütte stellt. Albert Uderzo, der 85-jährige Grandseigneur der europäischen Comic-Künstler, und Anne Goscinny, 44-jährige Schriftstellerin und Tochter des verstorbenen Asterix-Autors René Goscinny. Er ist elegant gekleidet, trägt einen perfekt sitzenden Anzug und Krawatte, tritt charmant und humorvoll auf. Die Tochter seines kongenialen Partners ist in einem lässigeren Outfit mit Turnschuhen und Jeans nach Völklingen gekommen. Da sie deutlich weniger Kameras auf sich zieht, kann sie sich die Ausstellungsstücke ungestört anschauen und mit ihrem Handy Fotos machen – etwa von der alten Reiseschreibmaschine ihres Vaters.

Zahlreiche Skizzen, Abbildungen, Erinnerungsstücke

Die Völklinger Schau zeigt zahlreiche Entstehungsskizzen und Abbildungen aus alten Asterix-Alben. Das ruft viele Erinnerungen bei dem Zeichner wach. „Es gab zahlreiche Ausstellungen an vielen Orten, aber Ihre ist die originellste, die ich gesehen habe“, lobt Uderzo. Die Originalität ergibt sich aus der Kombination von Comic-Elementen mit historischen Funden aus dem Alltagsleben der Kelten, darunter Fibeln, Werkzeuge und Waffen. Daher gibt es auch für den Franzosen noch viel Neues zu entdecken. Vor einem Schaukasten, der die kleine Terrakottastatue einer aus dem Wasser steigenden Venus enthält, fragt Uderzo den Museumsdirektor: „Können Sie mir einige Exponate ausleihen, damit ich sie zeichnen kann?“ Auch wenn er ihm diesen Wunsch wohl nicht erfüllen kann, ist Prof. Meinrad Maria Grewenig voll des Lobes für seinen Gast: „Asterix und seine Geschichten sind ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur“. Die Saarländer begriffen sich von ihren Wurzeln her als Kelten und Gallier. Das kleine, von unbeugsamen Galliern bevölkerte Dorf des Asterix hat mehr mit dem kleinen, frankofonen Bundesland zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. „Hauptsach gudd gess“ – dieses Lebensmotto würde wohl auch Obelix jederzeit unterschreiben.

Der dicke – pardon, kräftig gebaute – Krieger und Hinkelsteinlieferant zählt zu den beliebtesten Charakteren der Reihe. Dabei war die Figur ursprünglich gar nicht vorgesehen, wie Uderzo verriet. Das war 1959, als sich René Goscinny und Uderzo dazu entschlossen, eine neue Comicreihe mit den antiken gallischen Vorfahren der Franzosen zu entwickeln. Zunächst war nur eine Hauptfigur vorgesehen, erinnert sich Uderzo: „Mein erster Entwurf für Asterix war ein großer, starker Schulbuchheld wie Vercingetorix.“ Doch Goscinny wollte bis auf die Namensendung -ix keine Überschneidungen mit dem historischen Anführer der Gallier gegen Caesar haben. So einigten sich die beiden darauf, einen Anti-Helden zu kreieren: „Wir wollten eine Person schaffen, die wir selbst mochten, wie der schmächtige Asterix, ein kleiner Clown, mit dem sich die Kinder identifizieren können.“

Geprägt durch Walt Disney und die amerikanische Kultur

Doch seine ursprüngliche Idee ließ Uderzo nicht unter den Tisch fallen: Er entwickelte die Figur des großen und starken, aber auch etwas einfältigen und gutmütigen Obelix. Dass er auf seinem Buckel Hinkelsteine herumschleppt, ist wie so vieles andere eine Hommage an die Bretagne mit ihren vielen Menhiren. Während des Zweiten Weltkriegs verbrachte der 1927 in Fismes (Region Champagne-Ardenne) geborene und in einem Pariser Vorort aufgewachsene Sohn italienischer Einwanderer einige Zeit in dieser rauen Küstenregion. Es war eine prägende Zeit für den Jugendlichen, der schon mit 14 Jahren anfing, Schilder, Plakate und später auch Comics zu zeichnen. In den 50er-Jahren gab es bis auf die Werke von Hergé noch keine bedeutende europäische Comic-Tradition. „Wir waren damals geprägt durch die amerikanische Kultur – durch Walt Disney sind wir in diesen Beruf reingekommen“, erzählt Uderzo.

Zu Disney blickt er auch ein halbes Jahrhundert nach dessen Tod noch auf: „Mit ihm kann ich mich nicht vergleichen.“ In Zusammenarbeit mit verschiedenen Textern arbeitete Uderzo an verschiedenen Projekten, doch keines wurde weltweit auch nur annähernd so erfolgreich wie Asterix, der sich vor allem in Deutschland großer Popularität erfreut. Dabei waren die ersten Begegnungen zwischen den Galliern und den Deutschen wenig schmeichelhaft: Im frühen Band „Asterix und die Goten“ von 1963 dringen die Westgoten als Vorfahren der Germanen ins Land der Gallier ein. Die Deutschen werden als kriegslüsternes Volk gezeichnet, alte französische Klischees finden ihre Entsprechung. „Wir haben uns auf unsere Kenntnis aus Büchern gestützt, und unser Bild war noch durch die Kriegszeit geprägt“, gibt Uderzo zu. Es sei aber nicht um eine Form einer Revanche gegangen: „Wir wollten nie Rache nehmen, sondern wir haben die Deutschen damals auf lustige Weise gezeigt – die Deutschen, ich spreche nicht von den Nazis.“

Goscinny starb mit nur 51 Jahren

Seit 1968 erscheint Asterix in Deutschland. In jenem Jahr wurde Anne Goscinny geboren. 1977 starb ihr Vater im Alter von nur 51 Jahren; der Band „Asterix bei den Belgiern“ stand damals kurz vor seiner Fertigstellung. Für Anne Goscinny, Journalistin und Schriftstellerin, ist der Besuch in Völklingen eine Begegnung mit dem Vater und seinem Werk: „Ich bin sehr froh und bewegt, die Ausstellung zu sehen. Das ist für mich auch eine Gelegenheit, länger mit Albert, mit dem ich glückliche Kindheitserinnerungen verbinde, zusammen zu sein“, sagt sie. Uderzo pflichtet ihr bei: „Ich hatte sie schon als Baby von wenigen Tagen im Arm.“ Beim Rundgang durch die Ausstellung posieren beide für die Fotografen vor einer Asterix-Abbildung. Der Senior legt spontan einen Arm um die Schulter der 44-Jährigen und sagt scherzhaft: „Das ist meine Tochter.“

So einträchtig die Szene wirkt, lenkt sie umso mehr den Blick auf den Zwist in Uderzos eigener Familie. 2009 eskalierte ein Streit mit seiner Tochter Sylvie, bei dem es im Kern um die Frage ging, ob nach dem Tod Albert Uderzos auch die Geschichte von Asterix enden oder ob es weitere Hefte aus der Feder anderer Künstler geben soll. Diese Frage ist mittlerweile entschieden: 2011 ernannte Uderzo zwei Franzosen, den Autor Jean-Yves Ferri und den Zeichner Frédéric Mébarki, zu seinen Nachfolgern. Vor allem zu dem Zeichner Mébarki, einem langjährigen Mitarbeiter, besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis: „Er hat es geschafft, meine Tradition fortzuführen.“ Uderzo will auch weiterhin an den AsterixGeschichten mitwirken, doch schon der nächste, ursprünglich für 2012 angekündigte Band wird bereits von den Nachfolgern gestaltet. In Völklingen verschob Uderzo diese Frist: 2013 könne man mit dem neuen Album rechnen. Es ist die Nummer 35, und eine Rekordauflage gilt bereits jetzt als sicher. Das sei aber keineswegs vorhersehbar gewesen, meint Uderzo: „Als wir Asterix geschaffen haben, haben wir diesen Erfolg nicht geahnt.“

Michael Merten

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.