Historiker Jörg Fündling über „Asterix in Italien“

Der Gallier-Experte verrät, was antike Wagenrennen mit modernem Profisport zu tun haben

In: Frankfurter Neue Presse, 20. Oktober 2017

Er ist Gallier-Experte und hat das Sachbuch „Asterix. 100 Seiten“ geschrieben. Im Gespräch mit Michael Merten erklärt der Aachener Althistoriker Jörg Fündling, welche aktuellen Bezüge im neuen „Asterix“-Band stecken.

Herr Fündling, worum geht es in dem neuen „Asterix“-Band?

JÖRG FÜNDLING: Beim Titel „Asterix in Italien“ denkt jeder: Asterix ist ja weiß Gott wie oft schon in Rom gewesen. Es geht aber hier um das nichtrömische Italien, das man nicht sofort auf dem Schirm hat. Die Geschichte kombiniert zwei gute Handlungselemente zweier früherer Bände: Ein Überlandrennen à la „Tour de France“ und einen von den Römern manipulierten Wettkampf à la „Asterix bei den Olympischen Spielen“. Ein verschnarchter, inkompetenter römischer Senator, der für das marode italische Straßenwesen zuständig ist, will allen zeigen, dass die Straßen eigentlich doch gar nicht so schlecht sind.

Wie will er das schaffen?

FÜNDLING: Er schreibt eine Rallye über den italienischen Stiefel aus. Von Monza nach Neapel geht es in einer Kombination aus moderner Tour de France und modernem Motorsport. Dabei bekommen wir ein paar antike und moderne Attraktionen Italiens zu sehen.

Im neuen Band stellt Obelix eine grundlegende Frage: „Wieso muss immer Asterix die Hauptrolle spielen?“ Daraufhin wird Asterix bei dem Wagenrennen der Assistent von Obelix. Eine gute Idee?

FÜNDLING: Dieser alte Streit zwischen den Freunden ist ein Knüller. Obelix schlägt sich gut in der Heldenrolle, er beweist seine Tugenden: Er ist PS-stark, einsatzfreudig, lässt keine Schlägerei aus – und nimmt es zum Teil nur unterschwellig zur Kenntnis, dass es sich überhaupt um eine Schlägerei handelt und nicht um Rivalität unter Freunden mit anderen Mitteln. Asterix und Obelix ergänzen sich mit ihren jeweiligen Stärken, ihre Dialoge sind würzig.

Im letzten Band gab es politische Anspielungen auf Whistleblower und die Meinungsfreiheit. Sitzen die Anspielungen auf den modernen Profisport in „Asterix in Italien“ ähnlich gut?

FÜNDLING: Ich denke schon. Bei dem Wagenrennen geht es natürlich weniger um die Antike als um die Auswüchse unserer Zeit. Finanzierte Sportwerbung, industrielle Interessen, mafiöse Verstrickungen. Viel, viel Geld und mehr oder weniger fairer Wettkampf. Es wird klar gesagt: Das ist Big Business, es geht nicht um faires, diszipliniertes Athletentum. Obwohl es einen gewissen Hoffnungsschimmer gibt, denn einige Athleten wollen dagegensteuern. Der Sponsor der Veranstaltung – der Hersteller der berühmt-berüchtigten römischen Fischsauce – erinnert optisch sehr an Silvio Berlusconi.

Gibt es historische Vorläufer für eine solche Rallye quer durch das Land?

FÜNDLING: Kein bisschen! Es gab zwar Langstreckenläufe, aber die wurden nie aus sportlichen Gründen unternommen, sondern waren aus der Not geboren. Man ging nie für Wettkämpfe raus in die freie Natur. Es gab zwar so etwas wie ein Naturerleben in der Antike, aber Menschen vor besonders faszinierender Naturkulisse in Bewegung zu zeigen, das ist etwas sehr Modernes.

Italien, das lernen wir in dem neuen Band, war ein Vielvölkerland, das Cäsar nur mit Mühe kontrollieren konnte. Entspricht das den Tatsachen?

FÜNDLING: Zu Cäsars Zeiten ist genau das eine Schwierigkeit. Als er zur faktischen Alleinherrschaft kommt, liegt der letzte Bürgerkrieg, in dem es um ethnische Fragen ging, erst 30, 40 Jahre zurück. Letztlich löst erst Augustus dieses Problem – mit einer genialen, wenn auch nicht ganz aufrichtigen Identifikation: Rom ist gleich Italien, römische Geschichte ist die Geschichte ganz Italiens. Dann kehrt Frieden in dieser Sache ein.

Wie ist das für die Asterix-Reihe typische Spiel mit Klischees fremder Länder und Kulturen gelungen?

FÜNDLING: Das wird stark anhand der Küche abgehandelt. Unsere Helden haben eine große Horizonterweiterung vor sich. Sie lernen Pasta und die Urpizza kennen. Den Parmaschinken wird Obelix aber nie in Scheiben essen. Er sagt diesen wunderschönen Satz: „Die spinnen, die Italiker. Schinken in Scheiben! Wieso nicht gleich zu Krümeln geriebener Käse?“

Gibt es weitere Beispiele?

FÜNDLING: Die Asterix-Welt wird zudem um ein paar Völker bereichert, etwa die Markomannen, die sich, weil sie sich als „Südgermanen“ bezeichnen, besonders gut aufs Wagenbauen verstehen. Oder die beiden afrikanischen Wagenlenkerinnen vom mittleren Nil. Es sind Kuschitinnen, in der Spätantike ein unabhängiges Königreich südlich von Ägypten. Kusch war sehr von der ägyptischen Kultur geprägt. Im Comic sprechen sie dann auch prompt in Hieroglyphen.

Haben Sie auch Kritikpunkte?

FÜNDLING: Tatsächlich habe ich ein kleines Problem mit der Darstellung der Kuschitinnen. Irgendwie können die Leute bei Asterix es nie lassen, Schwarzen richtig große Tellerlippen zu zeichnen. Das ist allerdings keine Rassismuskeule in Richtung des Teams; der Kolorist Thierry Mebarki hat ja selbst nordafrikanische Wurzeln.

Liegt das an der Zeichentradition, die ja in Zeiten zurückreicht, als es noch nicht diese Sensibilität gab?

FÜNDLING: Das denke ich auch. Zudem rücken die Autoren in Trippelschritten davon ab. Uderzo hätte wohl noch allen Figuren mit dunkler Hautfarbe die Lippen knallrot angepinselt. Das tut das neue Team nicht, was schon einiges besser macht.

Nach den ersten beiden Alben des neuen Autorenduos „Asterix bei den Pikten“ und „Der Papyrus des Cäsar“ meinten Sie, es sei noch zu früh, darüber zu urteilen, ob die Serie nach Uderzo eigenständig in eine neue Zeit gegangen ist. Hat sich das mit dem zweiten Reiseabenteuer „Asterix in Italien“ nun geändert?

FÜNDLING: Man kann auf jeden Fall sagen: Die Leistung verstetigt sich. An der ein oder anderen Stelle waren Highlights dabei, wo ich als Fan seitlich auf dem Stuhl gehangen habe. Die Optik, der Sprachwitz – ein Verdienst der deutschen Übersetzung – sind sehr ausgewogen. Es gibt sehr viele liebevolle Rückverweise auf die alten Bände; das neue Duo hat den Zitiersport zu einer Kunst entwickelt. Das ist aber kein warmer Aufguss, sondern etwas Neues und typisch für den Stil, den sie so langsam kreieren. Schön ist, dass die Nebenfiguren des gallischen Dorfs eine stärkere Rolle spielen, in diesem Fall etwa der Dorfälteste Methusalix. Mit einem Starauftritt kann er trotz Zahnweh die Handlung nach vorne bringen.

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.