Ein Heimspiel für den ehemaligen Außenminister

Großer Andrang bei Buchpräsentation mit Jean Asselborn und Malu Dreyer in Trier

Text: Marcus Stölb

Fast zwei Jahrzehnte bestimmte Jean Asselborn die Außenpolitik des Nachbarlands, nun war der Luxemburger zu Gast in der Europäischen Akademie des rheinland-pfälzischen Sports in Trier. Anlass seines Besuchs: Die Präsentation der von dem Trierer Journalisten Michael Merten verfassten Biographie „Die Tour seines Lebens“. Bei der Buchpräsentation mit dabei war auch die langjährige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. So erlebten die Zuhörer gleich zwei leidenschaftliche Europäer, die gemeinsam dafür plädierten, den Kampf für Europa und die Demokratie aufzunehmen.

Jean Asselborn besuchte während seiner 19 Jahre an der Spitze der luxemburgischen Diplomatie 134 Länder, allein 48 Dienstreisen führten ihn zum Hauptsitz der Vereinten Nationen nach New York. Der Luxemburger sah sechs deutsche Außenminister kommen und fünf wieder gehen. Ob in Brüssel oder Berlin, Washington oder Paris – wie für Amtsträger seiner Liga üblich, fuhr Asselborn in dunklen Limousinen vor. Nicht so am vergangenen Mittwochabend (8. Oktober) in Trier: Im privaten Elektrowagen steuerte der 76-Jährige die Europäische Sportakademie an, und schon vor deren Betreten zeichnete sich ab, dass der Abend zum Heimspiel für den Ex-Außenminister werden würde. Schließlich engagierte er sich schon wiederholt für die Aktionen der Sportakademie, etwa indem er die Fairplay-Tour der Großregion unterstützte.

Dieses Mal jedoch war Asselborn gewissermaßen in eigener Sache in der Moselstadt, stand doch die Präsentation seiner Biographie auf dem Programm. Der Trierer Journalist Michael Merten erzählt auf 320 Seiten „Die Tour seines Lebens“, so der Titel des Buchs. Merten machte sich mit Asselborn im Sommer 2024 auf zwei Rädern auf den Weg vom luxemburgischen Schengen zum Mont Ventoux, dem vor allem für Freunde des Radsports geradezu legendären Berg in der Provence. Seit vielen Jahren zählt die rund 1000 Kilometer lange Radtour in den Süden Frankreichs zu Asselborns festen Ritualen eines jeden Sommers. Indem Merten gemeinsam mit dem seit einem halben Jahr aus dem Amt geschiedenen Außenminister in die Pedale trat, lernte er Asselborn aus nächster Nähe kennen. Berichte der einzelnen Etappen der Tour wechseln im Buch mit wichtigen Stationen und politischen Themen im Leben und Wirken Asselborns ab, was das Buch zu einer Mixtur aus Radreisebericht und politischer Biographie macht.

Dass der Luxemburger zwar nicht mehr im Amt und doch noch voll in den Themen ist, davon konnten sich die Zuhörer während der von dem Trierer Journalisten Marcus Stölb moderierten Buchpräsentation überzeugen. An der Seite der früheren Ministerpräsidentin Malu Dreyer geriet der Abend zur Tour d’Horizon durch die internationale Politik, vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine über die Flüchtlingskrise bis zum Nahostkonflikt. Michael Merten trug Passagen aus seinem Buch vor, unter anderem über die langjährige Freundschaft Asselborns mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow. Der Luxemburger schilderte die Wochen vor der russischen Invasion und machte deutlich, wie er und weitere damalige Amtskollegen seinerzeit über die wahren Absichten Moskaus hinters Licht geführt wurden. Wie auch er von dem Russen getäuscht wurde und was das mit ihm machte, zählt zu den zahlreichen bewegenden Kapiteln von Mertens Buch.

Mit Blick auf die Flüchtlingskrise und den Satz der damaligen deutschen Kanzlerin „Wir schaffen das“, verteidigten sowohl Asselborn als auch Malu Dreyer Angela Merkel. Diese habe schlicht nichts anderes sagen können in dieser Situation, ist der Ex-Außenminister überzeugt und erinnerte an die damals akute humanitäre Herausforderung, insbesondere auf der Balkanroute. Malu Dreyer verteidigte die sogenannte Willkommenskultur, betonte aber zugleich, dass es ihr auch immer darum gegangen sei, die Zuwanderung zu ordnen. Schließlich lasse sich nicht leugnen, dass es auch Chaos gegeben habe und vor allem Kommunen überfordert gewesen seien. Die Sozialdemokratin verwies jedoch auch darauf, dass sehr viele der damaligen Flüchtlinge heute integriert seien und wichtige Arbeit in Deutschland leisteten, für die ansonsten Fachkräfte fehlten. Angesprochen auf das Erstarken rechtspopulistischer Parteien appellierten Asselborn und Dreyer unisono, jetzt für die Verteidigung Europas und der Demokratie einzutreten. „Deren einziges Ziel ist es doch, alles kaputt zu machen“, warnte der Luxemburger. Malu Dreyer erklärte, dass niemand mehr sagen könne, er wisse nicht, worauf die Rechtspopulisten hinauswollten. Der Kampf für die Demokratie finde jetzt statt, jede und jeder sei gefordert.

Sportlich gefordert hatte sich in diesem Sommer Jean Asselborn gleich zweimal: Nach einem ersten erfolglosen Versuch, den 1.900 Meter hohen Mont Ventoux erneut zu erklimmen, startete er zwei Wochen später noch einmal zur Bergetappe – mit Erfolg. Doch auf der Rückfahrt vom Gipfel bremste ihn eine Herde Schafe aus und bescherte Asselborn einen Bänderriss. Für den Mann, der wiederholt von sich behauptete, auf die Politik, nicht aber auf sein Fahrrad verzichten zu können, bedeutete dies eine fünfwöchige Auszeit in Sachen Radsport.

Dass Jean Asselborn auch von der Politik nicht lassen kann, zeigte sich im Verlauf der gut eineinhalbstündigen Veranstaltung; ebenso, dass der Luxemburger ein emotionaler und charmanter Welterklärer ist und sich bewahrt hat, worauf die Erste Vorsitzende der Sportakademie in ihrer Begrüßung hingewiesen hatte. Dr. Patricia Erbeldinger zitierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der über Asselborn sagt, dass dieser „sich Zurückhaltung nicht auferlegt, wo die Empörung ihren Platz finden muss.“

Veröffentlicht von

Michael Merten

Journalist in der Großregion Trier-Luxemburg.